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Israels Turnteam darf nicht zur WM in Indonesien: „Ich wünsche keinem Sportler, so verletzt zu werden“
Lihie Raz hat fünf Monate hart für die Turn-WM in Indonesien trainiert. Nun darf sie nicht daran teilnehmen – weil sie aus Israel kommt. Ein Gespräch über traumatische Tage in ihrem Leben.
Stand:
Lihie Raz macht einen etwas niedergeschlagenen Eindruck während der Videokonferenz mit dem Tagesspiegel. Die 22-Jährige hat monatelang sehr hart trainiert für ihr großes Ziel in diesem Jahr: die Turn-Weltmeisterschaften in Jakarta (noch bis 25. Oktober). Doch wenige Tage, bevor es losgehen sollte, wurde der israelischen Delegation die Einreise nach Indonesien verweigert.
Es entspreche der Position der Regierung, keine Kontakte mit Israel zu unterhalten, sowie den Erwartungen der indonesischen Bevölkerung, sagte Indonesiens Justizminister Yusril Ihza Mahendra zur Begründung. Die Entscheidung gegen eine diplomatische Anerkennung gelte so lange, bis die Regierung in Jerusalem „die Unabhängigkeit und volle Souveränität des Staates Palästina“ anerkenne.
Frau Raz, wie geht es Ihnen?
Geht so. Sie wissen ja, was passiert ist.
Wann haben Sie erfahren, dass Sie nicht zur WM fahren können?
Erst drei Tage vor unserer Abreise. Wir sollten eigentlich in der vergangenen Woche am Montag nach Jakarta fliegen. Aber am Donnerstag davor hat es erste Gerüchte gegeben, dass es nicht klappen könnte. Einen Tag später hatten wir dann die Gewissheit, dass wir nicht einreisen dürfen.
Hatten Sie bereits ein Visum für Indonesien?
Ja, in der ersten Oktoberwoche hatte ich Visa. Alles schien geregelt.
In meinem Kopf bin ich zu hundert Prozent davon ausgegangen, dass wir teilnehmen können. Nur so konnte ich hundert Prozent beim Training geben.
Lihie Raz, israelische Turnerin, die nicht zur WM nach Indonesien darf
Wie traurig macht Sie der Ausschluss?
Extrem traurig. Turnen ist alles, es ist mein Leben. Es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin. Und es hat mich zu einem besseren Menschen gemacht. Ich habe fünf Monate lang sehr hart auf diese Weltmeisterschaften trainiert. Es ist für mich sehr schwer, das jetzt zu akzeptieren. Ich bin sehr frustriert.
Haben Sie im Vorfeld geahnt, dass Indonesien ein Problem darstellen könnte?
Klar. Ich wusste, dass das Land keine diplomatischen Beziehungen zu Israel pflegt. Aber ich habe das gar nicht an mich herangelassen. In meinem Kopf bin ich zu hundert Prozent davon ausgegangen, dass wir teilnehmen können. Nur so konnte ich hundert Prozent beim Training geben.
Können Sie nachvollziehen, dass die WM überhaupt an ein Land wie Indonesien vergeben worden ist?
Jeder Athlet und jede Athletin sollten die gleichen Rechte haben, an einem Wettkampf teilzunehmen. Genauso sollte jedes Land die gleichen Rechte haben, eine solche Veranstaltung auszutragen. Daher kann ich verstehen, dass Indonesien den Zuschlag bekommen hat. Die Frage ist nur, ob das Land nicht gegen die Regeln des Internationalen Turnbundes FIG verstoßen hat. Und ich habe gehört, dass Indonesien die Regeln nicht eingehalten hat.
Ich fühle mich diskriminiert, weil ich meine große Leidenschaft wegen meiner Herkunft nicht ausüben durfte. Dabei sollte die Welt des Sports frei von Politik sein. Das ist sie aber nicht.
Lihie Raz, israelische Turnerin, die nicht zur WM nach Indonesien darf
Das hat inzwischen sogar der Generalsekretär des Internationalen Turnerbundes zugegeben. Und dennoch finden die Weltmeisterschaften ohne Israel statt.
Für mich ist das eine riesige Enttäuschung. Ich hätte mir erhofft, dass der FIG sich früher mit dem Problem befasst und mögliche Lösungen für uns gefunden hätte.
Hätte der FIG die WM absagen sollen?
Ich bin Athletin und will mir zu dieser Frage keine Meinung erlauben. Es ist nicht an mir, solche Dinge zu entscheiden. Was ich aber sagen kann: Ich wünsche keiner Sportlerin und keinem Sportler, so verletzt zu werden wie ich.
Fühlen Sie sich von der Sportwelt diskriminiert?
Das tue ich. Ich fühle mich diskriminiert, weil ich meine große Leidenschaft wegen meiner Herkunft nicht ausüben durfte. Dabei sollte die Welt des Sports frei von Politik sein. Das ist sie aber nicht.
Hätten Sie sich von anderen Turnverbänden, zum Beispiel dem deutschen, mehr Unterstützung gewünscht?
Auch dazu will ich nichts sagen. Meine Meinung würde ohnehin nichts ändern.
Haben Sie von anderen Sportlerinnen und Sportlern aus der internationalen Turngemeinschaft Trost und Zuspruch erfahren?
Offen gesagt, nicht wirklich. Ich habe kaum Nachrichten von anderen Turnerinnen oder Turnern aus dem Ausland bekommen.
Wie sieht Ihre Zukunft nun aus?
Ich werde nicht aufgeben, sondern weiter trainieren. Ich bin jetzt schon zurück im Training und freue mich schon auf die Turn-Europameisterschaften im nächsten Sommer.
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